Wir erkunden die Azoren – Teil 2



Den heutigen Eintrag ins Reisetagebuch schreibe ich in der Bucht von Mahon auf Menorca am 21.7.

Am Sonntag, den 19.5., erkunden Manfred und ich die südliche Halbinsel vor Huerta. Zunächst sehen wir uns eine alte Walfangfabrik an, die zu einem Museum umgebaut wurde. Filme aus den 60er Jahren zeigen, wie damals auf den Inseln der Azoren Walfang betrieben wurde: mit langen schmalen Segelbooten, von denen aus der Wal (meist Potwale, die hier durchziehen) harpuniert wurde. Eine gefährliche, blutige und anstrengende Arbeit. Der letzte Wal wurde irgendwann in den 70ern erlegt. Direkt anschließend laufen wir an der Küste entlang um den Berg herum, der Weg steigt langsam an. Oben am Grad treffen wir auf einen Wal-Spotter, der mit seinem Fernglas den ganzen Tag da oben sitzt, und versucht bis 10 Sm vor der Küste Wale zu entdecken. Deren Position gibt er dann an die Whale Watching Touri-Boote weiter, damit die ihre Gäste dorthin bringen können. In einem großen Bogen laufen wir den Berg auf der Nordseite wieder hinunter zurück in die Stadt. Ein schöner Ausflug.

Zurück auf dem Schiff nehmen wir am späten Nachmittag die Genua herunter. Manfred zieht mich am Bootsmannstuhl ein Stück das Genua-Stag hoch, damit ich einige Madenschrauben des Profils nachziehen kann. Einzelne Profil-Segmente beginnen sich voneinander zu lösen. Metallabrieb am Segel ist dafür ein klares Indiz.

Montagvormittag kommt ein Rigger vorbei, der sich die Verbindung zwischen dem ersten und zweiten Profil anschaut. Die ist schon etwas ausgeschlagen, da hier die beim Rollen die größten Kräfte wirken. Er bohrt die beiden Löcher etwas aus und verwendet Madenschrauben mit einer kleinen Spitze, die sich tiefer in die Verbindung „bohrt“. Zudem bohrt er ein drittes Loch, um die Verbindung stabiler zu machen, eines der beiden alten Löcher ist bereits eingerissen. Nach zwei Stunden ist alles erledigt, das Profil macht wieder einen robusten Eindruck. Sollte hoffentlich bis nach Hause halten. Im Winter werde ich die beiden Profile aber wohl austauschen müssen.

Am Mittwoch können wir endlich unsere geplanten Ausflüge starten. Leider hat sich das regnerische Wetter nach hinten genau auf den Mittwoch verschoben. Wir fahren mit der Fähre über Pico nach Sao Jorge. Im
Hafen leihen wir uns ein Auto und fahren den Berg hinauf auf ca. 1000m, um dort unsere Wanderung zu starten. Leider ist dort oben alles Wolkenverhangen, die Sicht gleich Null, es regnet und der Wind peitscht die Tropfen ins Gesicht. Also gleich wieder ins Auto und rüber auf die Nordseite der Insel. Dort sind wir im
Lee und können an der Küste, etwa 500m über dem Meer eine schöne kurze Wanderung machen. Ganz runter ans Meer absteigen wollen wir nicht, dafür sind die Pfade zu schmal, durch den Regen zu schlammig und zu steil. Einen verstauchten Knöchel braucht jetzt niemand. Wir fahren mit dem Auto stattdessen an einen Küstenort etwas weiter im Norden und gehen dort spazieren. Keine Touristen, sehr ursprünglich
und malerisch. In einem Restaurant direkt am Meer essen wir eine Kleinigkeit zu Mittag. Anschließend geht’s zurück entlang der Küste Richtung Hafen. Wir halten an einer etwas abgelegenen Parkanlage mitten im Grünen und gehen dort spazieren in Richtung Küste. Toller Ausblick aufs Meer! Leider holt uns das schlechte
Wetter dort ein. Der Weg zurück wird sehr nass und windig. Ziemlich durchnässt und etwas fröstelig kommen wir am Auto an. War trotzdem ein schöner Ausflug. Es ist bereits dunkel als wir mit der Fähre zurück in Huerta sind. Auf dem Weg zurück klingelt mein Telefon, der Hafenmeister ist dran. Wir sollten schnell zurück in die Marina, das Boot vor uns habe ein Problem mit seiner Heckleine, sie würde sich in unserem Anker am Bug verfangen. Zurück im Hafen verlegen wir uns ca. 2m nach hinten. Leider passen jetzt aufgrund fehlender Klampen an Land unsere Leinen nicht mehr zusammen. Einige sind deutlich zu kurz zum Land, andere zu lang. Bonita schwoit völlig unruhig umher und ruckt immer wieder brutal in die eigenen Klampen an Bord; wir haben immer noch ca. 5-6bft. Norweger, die bei uns im Päckchen liegen, helfen schlussendlich aus mit einer dicken und sehr langen Trosse, mit der wir das Heck von Bonita an einem Poller, mehr als 10m entfernt festmachen können. Jetzt passt es endlich wieder. Es ist mittlerweile weit nach Mitternacht; wir haben mehr als 2h gewerkelt, damit die Bonita wieder sicher liegt. Da die Norweger am nächsten Tag ihre Trosse wieder haben wollen, weil sie weitersegeln, ziehe ich morgens los, um mir eine eigene zu besorgen. Als ich zurück am Boot bin, haben sie gerade angefangen, ihre eigene abzubauen.
Gutes Timing also.

Donnerstag ist wieder Bootstag. Manfred beginnt, die mittlere Scheibe im Cockpit auszubauen. Die hängt nur noch am oberen Teil, alles andere ist frei. Er löst die Scheibe und kratzt den Kleber aus den Nuten, eine ziemliche Fummelarbeit. Ich baue die Halterungen der PV-Paneele aus, um sie zu reinigen. Seit einiger Zeit lassen sich die Paneele nur mehr schwer nach oben drehen. Ziemlich schnell ist klar, mit reinigen ist die Sache nicht erledigt. Die hohe UV-Strahlung hat das Plastik und den Gummi darunter mehr oder weniger komplett aufgelöst und verklebt. Toll, bereits nach zwei Jahren sind die Halterungen kaputt. Ich entferne den Plastikkram, Manfred hilft mir mit Panzertape die Stelle solange auszupolstern, bis die Metallschellen wieder
greifen. Zur Belohnung gehen wir abends ins Cafe Sport auf ein Bier und anschließend zum Abendessen in unser Lieblingsrestaurant.

Freitagmorgen nehmen wir die erste Fähre um 8:30 rüber nach Pico. Die Autovermietungen am Hafen sind komplett ausgebucht. Nach etwas suchen finden wir etwa 200m vom Hafen weg aber doch noch einen Autovermieter, bei dem wir einen Kleinwagen mieten können. Zunächst geht’s an der Flanke vom Pico hoch
bis zur Endstation auf ca. 1200m. Von da geht es nur zu Fuß weiter, z.B. auf den Gipfel des Pico, der fast 2400m hoch ist, ein gewaltiger Berg. Wir wandern ein Stück einen alten Pfad entlang und genießen den Ausblick über die Insel und aufs Meer. Toll!

Anschließend fahren wir zur Gruta das Torres. Die Fahrt ist etwas abenteuerlich, da der Teerbelag plötzlich aufhört und wir über einen schmalen und teilweise steil abfallenden Feldweg holpern müssen. Dieses Grottensystem ist durch eine unterirdisch und sehr schnell fließende Lava entstanden. Die äußeren Lavaschichten kühlten sich ab, der innere heiße Kern floss weiter den Hang hinunter. So entstand vor über 1000 Jahren ein mehrere Kilometer langes von dem man einige hundert Meter begehen kann. Spannend!

Weiter geht die Fahrt an einem kleinen Weinanbaugebiet vorbei die Südküste entlang nach Osten bis Lajes, ein kleiner malerischer Küstenort. Weinanbau gibt es erst seit ein paar Jahren auf Pico. Nachdem die
Insel erst ca. 300.000 Jahre alt ist (sie ist die jüngste der Azoren), ist die Grasnarbe sehr sehr dünn. Die Weinbauern gehen sogar so weit, dass sie auf Lavafeldern die groben Lavasteine wegräumen und Erde händisch in die Lavaspalten einfüllen, um dort ihre Setzlinge einzupflanzen. Was für ein Aufwand. Der Wein schmeckt allerdings recht gut und wird auf allen Inseln verkauft. Der Aufwand scheint sich also zu lohnen.

In Lajes angekommen, gehen wir spazieren und essen eine Kleinigkeit in einem Restaurant am Hafen. Am späteren Nachmittag fahren wir zurück an die Nordküste der Insel und weiter nach Madalena, unserem Ausgangsort auf Pico. Bis die Fähre losfährt haben wir noch etwas Zeit, die wir uns in einem netten Kaffee versüßen.

Samstag, der 25.5., jetzt wird es ernst. Vor einer Woche kaufte ich ja bereits Pinsel und Farbe. Heute ist es an der Zeit, uns auf der Mole in Huerta zu verewigen. Glücklicherweise gibt es eine kaum mehr les- und erkennbare Malerei direkt an unserem Liegeplatz, deren Fläche ich verwenden kann. Nach etwa drei Stunden bin ich auch schon fertig und es sieht gar nicht mal schlecht aus. Manfred klebt in der Zeit die Cockpitscheibe wieder ein, sieht aus wie neu. Perfekt! Wir sind gerüstet für die Weiterfahrt am Dienstag, alle geplanten
Arbeiten sind erledigt.

Am Sonntag, den 26.5. steigt Andres zu, ein Freund von Manfred. Zu dritt wollen wir über Punta Delgada, die Hauptstadt der Azoren, weiter nach Cadiz in Spanien und über Gibraltar nach Malaga. Die Abfahrt ist für übermorgen, den 28.5. geplant. Da wir noch einen mehrtägigen Stopp auf San Miguel planen, kaufen wir am Montag nur Proviant für zwei Tage ein.



Wir erkunden die Azoren…

Den heutigen Eintrag ins Reisetagebuch schreibe ich in der Marina Salinas in Torrevieja am Montag, den 24.6. Torrevieja ist eine Stadt ca. 60km südlich von Alicante, also mitten im Mittelmeer an der spanischen Ostküste. Mein letzter Tagebucheintrag ist vom 3.6., da waren wir tags zuvor in Horta angekommen. Mein Gott, wie viel ist seitdem wieder passiert.

Nachdem Andres ja erst ca. zwei Wochen nach unserer Ankunft auf den Azoren zu uns stoßen würde, haben wir also sehr viel Zeit, uns die Inseln etwas näher anzuschauen. Bereits am nächsten Tag, am 14.5., haben wir die Gelegenheit Bonita an die Pier zu verlegen. Manfred zieht den Anker hoffentlich das letzte Mal mit der Hand hoch. Wir gehen neben einer 51 Fuß Beneteau ins Päckchen. Die legt am nächsten Tag ab, so dass wir direkt an der Pier liegen. Das hat viele Vorteile aber auch Nachteile. U.a. den, dass die Boote, die an einem dranhängen (es hingen immer zwei an uns dran), ganz schön an den Klampen zerren und das Boot immer wieder erschüttern, wenn Bonita in die eine und die Päckchenlieger in die andere Richtung einrucken. Ich musste ein paarmal die Muttern der Klampen der Achterleinen nachziehen, weil sie sich durch die permanente Querbelastung gelockert hatten. Ich muss mich dabei jedesmal in die hinteren Backskisten zwängen, um dann mit einem „Franzosen“ die Muttern anzuziehen. Nachdem mir Philip mittlerweile eine 24er Nuss mitgebracht hat, geht das jetzt ein bisschen einfacher.

Wir mieten uns für die nächsten Tage ein Auto und machen erstmal eine ausgiebige Inselrundfahrt auf Fajal. Die Insel ist bekannt für ihre vielen blauen Hortensienhecken, die gerade anfangen zu blühen. Wir sind ein bis zwei Wochen zu früh dran, um sie in ihrer vollen Pracht zu erleben. Wir fahren hoch zur Caldeira auf 1000m Höhe, die wir trotz schlechter Sicht in ca. 3h umwandern. Hin und wieder erhaschen wir einen kurzen Blick auf den Kraterboden, wenn sich die Wolkenschwaden etwas lichten. Der Kraterboden ist komplett mit Gras und Büschen bewachsen, mit kleinen Tümpeln dazwischen. Die Frösche hört man die ganze Zeit, auch noch 200 Meter über dem Kraterboden.

Wir fahren weiter an die Westküste der Insel. Hier gab es Ende der fünfziger Jahre einen unterseeischen Vulkanausbruch, der eine neue Halbinsel entstehen ließ. Sieht ein bisschen aus wie auf dem Mond, alles noch sehr karg, kaum Bewuchs und viel Lavastaub; ist aber sehr interessant in dem Gebiet herumzulaufen. Unter den durch den Ausbruch teilweise zerstörten Leuchtturm haben sie ein Museum gebaut, das in seiner Beton-Nüchternheit und modernen Architektur irgendwie an die Schaltzentrale eines Bond-Gegners aus den 60er Jahren erinnert. Auf dem Weg zurück nach Horta fahren wir noch zu einem großen Felsen an der Südküste der Insel und laufen noch ein Stück zu ihm hin. Die Küste fällt hier sehr steil ab, wir sind etwa 100m über dem Meer, toller Blick nach Westen in Richtung untergehender Sonne. Ein paar Kilometer später kehren wir in einem kleinen Restaurant zum Abendessen ein. Ein schöner und entspannter Tag geht langsam zu Ende.

Den nächsten Tag verbringen wir in Horta. Manfred hat Geburtstag, wir frühstücken ausführlich, bummeln durch die Stadt, genießen das entspannte Inselleben. Abends lädt uns Manfred in ein Restaurant ein, in dem man auf einem heißen Stein verschiedene Fleisch- und Fischleckereien grillen kann. War ausgesprochen lecker. Zwei Tage vorher, am 14. hatte Harald Geburtstag. Auch er lud zum Abendessen ins Oceanic ein. War ebenfalls super lecker. Danke an die beiden, es könnte mir deutlich schlechter gehen.

Freitag, 17.5., fliegt Harald nach Hause. Da wir eine Woche früher als geplant in Horta ankamen, beschloss er seinen Heimflug vorzuverlegen. Seine Frau wartet schon mit einer langen To-do-Liste auf ihn. Morgens um 8 Uhr ist bereits das Taxi am Pier, um ihn zum Flughafen zu bringen. Wir frühstücken ein letztes Mal sehr früh miteinander. Danke für die letzten Wochen Harald, mit Deinem technischen Sachverstand und Deinen seemännischen Kenntnissen hattest Du einen wesentlichen Anteil am Gelingen dieser spannenden und ereignisreichen Überquerung des Atlantiks.

Wir tauchen ein in die Inselgeschichte…

Am Wochenende tauchen Manfred und ich noch etwas tiefer in die Inselgeschichte ein. In einem kleinen Museum, einer ehemaligen Walverarbeitungsfabrik, ist die Walfanggeschichte der Insel sehr lebendig dargestellt. War ein hartes und brutales Geschäft. Der letzte Wal wurde irgendwann in den 70ern erlegt.