Die letzte lange Überfahrt: Von Horta nach Gibraltar

Am 26.5., Sonntag, kommt Andres an Bord. Unser dritter Mann für die Überfahrt nach Cadiz. Gleich nachdem er seine Kabine bezogen hatte, gehen wir rüber in die Sportsbar, um dort Abend zu essen. Anschließend noch einen Absacker in der UShip-Bar. Andres hatte Manfred einen GinTonic versprochen.

Montag gehen wir noch einkaufen für die zweitägige Überfahrt nach Punta Delgada und genießen den letzten Tag in Horta. Dienstag, 28.5. kurz nach 10 Uhr geht es los in Richtung Sao Miguel. Der Wind bläst kräftig mit 5bft aus südlicher Richtung. Es hat sich mittlerweile eine Zweimeter Welle aufgebaut. Wir beschließen deshalb nicht südlich an Pico vorbei zu fahren, sondern nördlich. Also zwischen Pico und Sao Jorge. Hier gibt es deutlich weniger Welle und auch der Wind bläst nicht ganz so frisch, so zumindest die Hoffnung. In Sachen Welle sollten wir Recht behalten. Allerdings lagen wir in unserer Windeinschätzung total daneben. Anfangs haben wir noch schönen halben, dann eher achterlichen Wind. Als die Windabdeckung durch den Pico zum tragen kommt, geht es richtig los: Winddreher, Wind von vorne, Böen mit über 6bft, Flaute. Es ist alles geboten. Wir eiern einige Stunden zwischen den beiden Inseln hin und her. Irgendwann sehen wir ein Segelboot, das offensichtlich sehr knapp an der Nordküste von Pico schnell und konstant segelt. Also nix wie hin. Und tatsächlich war der Wind hier deutlich beständiger von der Seite. Die durch den Pico verursachten Winddreher etc. kamen also erst weiter draußen zum Tragen. Ab da läuft es recht gut, wir kommen gut voran und erreichen am nächsten Tag kurz nach 13 Uhr Punta Delgada.

Leider stelle ich kurz vor der Hafeneinfahrt fest, dass eine Kardeele an der Steuerbord-Unterwant gerissen ist. Der Hafenmeister gibt mir zwei Telefonnummern von Riggern, die mir hier helfen können. Gleich nachdem wir in der Marina angelegt haben, telefoniere ich mit Thomas. Er ist Deutscher, lebt und arbeitet seit 25 Jahren in Punta Delgada als Rigger mit seiner eigenen Firma. Er war wohl selbst mal Segler und ist hier schlicht hängen geblieben. Noch am selben Nachmittag kommt er vorbei, um sich die Angelegenheit anzuschauen. Auf meine Frage, ob ich damit weiterfahren könne, frägt er mich, ob ich denn schon mal was von guter Seemannschaft gehört habe. Ok, habe verstanden; dann also doch austauschen.

Thomas hat einen Dreher an der Hand, der die Draht-aufnehmende Hülse samt Gewindestange nachbauen kann. Bis spätestens Mittwoch nächste Woche sollte alles fertig sein. Tatsächlich klappt alles problemlos und wie besprochen. Mittwochvormittag, es ist der 5.6., haben Thomas und ich die neue Want montiert.

Die Tage dazwischen nutzen wir, um die Insel mit dem Mietwagen zu erkunden. Sao Miguel ist die größte der Azoreninseln. So groß, dass man kaum das Gefühl hat, auf einer Insel zu sein. Es lässt sich sehr schön wandern zwischen Kraterseen, Thermalquellen und Bergen, auch die Ortschaften sind teilweise sehr malerisch. Gutes Essen und guter lokaler Wein inklusive, klar.

Während Thomas und ich die Want befestigen, gehen Andres und Manfred einkaufen, um unseren Proviant für die 7-tägige Überfahrt nach Cadiz entsprechend aufzustocken. Um 13 Uhr legen wir ab. Der Wind bläst schwach mit 2bft, sodass wir erstmal motoren müssen.

Erst gegen Abend frischt er auf 5 bft auf und bläst aus NNE. Wir segeln mit 60° am Wind mit zunehmender Welle. Der Wind bläst die nächsten Tage frisch aus NNE und NNW. Die Welle nimmt auf knapp 2m zu. Es ist konstant bewölkt, hin und wieder fällt auch Regen. Wir kommen die nächsten fünf Tage quasi nicht aus unserem Ölzeug heraus, eigentlich nur zum Schlafen. Essen am ausgeklappten Tisch im Cockpit: Fehlanzeige. Morgens gibt es Müsli (ohne Kaffee!!!), mittags vielleicht etwas Salat, ansonsten Wurst und Käse mit Brot. Alles einfach nur auf die Hand. Abends eine Kleinigkeit warmes Essen, oft Manfreds tolle Nuddelsuppe mit Eier-Einlage. Bei dem ruppigen Seegang ist längeres Kochen schlicht nicht möglich.

In der Nacht vom 10. auf den 11.6. „kämpfen“ wir uns durch das Verkehrstrennungsgebiet (VTG) an der südlichen Algarve-Küste. Dieses Schiffs-Autobahn ist sehr stark befahren und wir müssen sie im rechten Winkel queren. Manfred steht am Ruder; Andres hilft ihm, indem er über AIS Informationen wie Geschwindigkeit und Kurs zu den vorbeifahrenden Schiffen einholt. Mal etwas anluven, mal abfallen, um einen Frachter durchzulassen oder um noch schnell vor dem nächsten Tanker durchzuwitschen. Nachts ist das alles sehr spannend, da man ja nur die Lichter der Schiffe sieht. Ich kann mich in der Zwischenzeit ausruhen. Als ich um halb vier meine Schicht antrete, sind wir schon fast durch das VTG durch, ich muss mich nur noch mit ein paar Fischerbooten beschäftigen, die fischend meinen Kurs kreuzen.

An der Südküste der Algarve segeln wir am nächsten Tag mit 3bft und quasi keiner Welle sehr genussvoll und schnell dahin. Teilweise mit bis zu 10kn. Ein herrliches Gefühl. Erstmals lassen wir den Autopiloten steuern, um die Situation zu dritt so richtig genießen zu können. Nachdem wir schneller als gedacht vorankommen, beschließen wir Cadiz nicht anzulaufen und stattdessen gleich nach Gibraltar weiter zu segeln. Für den nächsten Tag ist eher Flaute angesagt, danach Wind aus Ost. Alles nicht optimal für einen Stopp in Cadiz. Am 12.6. kommen wir am späten Vormittag wohlbehalten in der Marina in Gibraltar an. Die nächsten zwei Tage genießen wir das bunte Stadtleben, besuchen den Affenfelsen. Gibraltar ist eine sehr schöne, quirlige Stadt, das habe ich so nicht erwartet. Zufälligerweise wird zudem am 13.6. der Geburtstag von König Charles gefeiert, mit einer Militärparade von Marine-, Luftwaffe- und Heeresabordnungen und natürlich mit einer zünftigen Blaskapelle incl. Dudelsäcken. War schön zuzuhören und anzuschauen, alles very british.

Am 15.6. geht es weiter zu unserem Zielhafen für diese Etappe, nach Benalmadena südlich von Malaga. Morgens gegen 10:00 Uhr verlassen wir Gibraltar und segeln nahezu platt vor dem Wind Richtung Nordosten. Der Wind ist zunächst fast zu schwach für unseren Kurs, legt aber dann mehr und mehr zu. Gegen Ende der Etappe segeln wir raumschots nur mit mehrfach gereffter Genua bei 6bft und 2-3m Welle mit über 7kn nur so dahin. So macht Segeln Spaß.

1 Gedanke zu „Die letzte lange Überfahrt: Von Horta nach Gibraltar“

  1. Hallo Alfons wie schön, wieder etwas von deiner Abenteuer-Fahrt zu lesen, war lang ersehnt und spannend wie immer zu verfolgen. Wir wünschen dir für den letzten Teil der großen Fahrt noch guten Wind und keine Reparaturen. Bis bald Anke und Josef

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