Eigentlich wollten wir (Antonia, Alexander, Hermann und ich) die viertägige Überfahrt nach Madeira am Sonntag, den 17.9. starten. So kauften wir am Samstag mächtig ein und Toni und Alexander kochten für zwei Tage vor, um auf jeden Fall etwas Warmes zu essen zu haben, auch wenn Wetter oder Wellen kein Kochen zulassen sollten. Aufwärmen geht (fast) immer. Allerdings zeichnete sich im Laufe des Samstags bereits ab, dass der Wind am Montag im Seegebiet westlich von Gibraltar eine Pause einlegen würde. So beschlossen wir, die Flaute lieber im Hafen von Cadiz zuzubringen und erst am Montag zu starten. Nochmal richtig ausgeschlafen, ausführlich und herzhaft gefrühstückt, Wasser und Diesel gebunkert – und dann: um 14:00 Leinen los! Auf zur längsten non-Stopp-Fahrt bisher: vier Tage ununterbrochen auf See, Tag und Nacht. Über 1000 km, ca. 580 Sm, aber nur wenn die direkte Linie gesegelt werden konnte. Ein bisschen nervös waren wir schon, ob alles so klappen würde, wie wir uns das vorstellten? Der Wachplan sah 4h-Schichten von sechs bis vierundzwanzig Uhr vor. Von Mitternacht bis sechs Uhr früh dann 3h-Schichten. Immer zwei hatten zusammen Wache, so dass jeder nach seiner Wache vier bzw. drei Stunden frei hatte. Das Bordleben kreist somit in erster Linie um Wache, Schlafen und Essen. An den ersten beiden Tagen stand schlafen eigentlich im Vordergrund. Jeder hatte so seine Schwierigkeiten, anfangs richtig zu schlafen. Aber so nach und nach gewöhnten wir uns an die Schaukelei, die Geräusche, die das Wasser verursacht, wenn es an den Rumpf klatscht, die Geräusche des Bootes selbst: das Gluckern des Wassers in den Tanks vorn und hinten; das Knarzen der Schoten, wenn der Winddruck zu groß wird. Nachts hatten wir meist mehr Wind als vorhergesagt, tagsüber oft deutlich weniger. Im Mittel stimmte es also. Die Nächte waren auch empfindlich kühl, Skiunterhemd und lange Unterhose waren angeraten. Apropos Nächte: der Sternenhimmel war unglaublich: schon lange habe ich nicht mehr so viele Sterne gesehen, es war wirklich beeindruckend. Trotzdem war es doch ziemlich dunkel, da gerade an den ersten beiden Tagen, der Mond bereits um ca. 22 Uhr unterging.
Leider kam der Wind nie aus der nordwestlichen Richtung wie vorhergesagt, sondern meist direkt aus West. Das bedeutete, dass wir von Anfang an südlicher segeln mussten, als wir wollten. Am Ende des dritten Tages waren wir fast auf der Höhe von Madeira, allerdings noch knapp 100 Meilen östlich davon. Nachts sollte der Wind komplett auf Nord drehen, so dass wir den perfekten Anleger auf Madeira gehabt hätten. Leider drehte da aber erst mal gar nix. Stattdessen schlief der Wind immer mehr ein. Erst in den frühen Morgenstunden des vierten Tages fing er an auf Nord zu drehen und dann immer weiter nach Osten, allerdings viel zu schwach. Wir hatten also eine ausgeprägte 2m-Welle aus NW und einen schwachen achterlichen Wind aus O. Leider ließ das starke Schwanken des Boots bei wenig Wind dann auch die Genua reißen: in der Mitte einmal quer durch; wie sich später herausstellen sollte, riss Gott sei Dank nicht das Laminat, sondern „nur“ die Naht. Es kann also mit geringem Aufwand repariert werden. Wir rollten die Genua vorsichtig ein und fuhren mit der Kutterfock weiter: Statt 75qm Segelfläche nur noch 28qm.
Gerade als wir beschlossen mit Motor weiter zu fahren, frischte der Wind auf und wir konnten dann doch noch schön segeln. Immerhin mit 6kn Fahrt ging es weiter. Aufgrund der deutlich reduzierten Geschwindigkeit und der östlichen Windrichtung beschlossen wir zunächst die Insel Porto Santo und nicht Madeira anzulaufen. Porto Santo liegt ca. 40 Meilen nördlich von Madeira. Nach insgesamt 631 Seemeilen erreichten wir die Insel. Hier gibt es einen wunderschönen Sandstrand vor Bergen, die aussehen, als wäre der letzte Vulkanausbruch vorgestern gewesen. Wir ankerten in Ufernähe in glasklarem Wasser und gingen erst mal bei 25° Wassertemperatur schwimmen. Herrlich! Schnell war die Anstrengung der letzten vier Tage vergessen. Am nächsten Tag wollten wir gleich morgens die kaputte Genua gegen eine neue austauschen (ich habe einen kompletten Satz Ersatzsegel eingepackt) und dann weiter nach Madeira fahren. Nun ja, als wir mit Segeltausch gegen Mittag fertig waren, hatten wir alle mehr Lust auf Baden als bei schwachem Wind nach Madeira zu segeln. Wir beschlossen also noch einen weiteren Tag in Porto Santo zu bleiben: baden, Kaffee trinken in der Hafenkneipe um die Ecke, in die Stadt laufen, um noch ein paar Einkäufe zu erledigen, Abendessen in der Hafenkneipe.
Am nächsten Tag, Sonntag den 24., ging es dann nach dem Frühstück weiter nach Madeira. Leider unter Motor, da mal wieder Flaute herrschte. Später frischte der Wind etwas auf, kam allerdings komplett von vorn. Wir beschlossen dann auch die restlichen Meilen noch zu motoren. In Funschal angekommen, ankerten wir im großen Hafenbecken, zusammen mit einigen Bekannten Booten, die uns schon früher in dem einen oder anderen Hafen begegneten. Die kleine Marina, die nur Platz für ca. 6 Gastboote hat, war komplett voll.
Wir verbrachten zwei volle Tage dort: der Blick vom Boot auf die Stadt, die sich über 400m über dem Meer die Berge hochzieht, ist klasse, vor allem nachts. Funchal ist eine unglaublich quirlige Stadt, mit Kneipen und guten Restaurants in allen Gassen und Winkeln der Altstadt, teilweise sehr schön renovierte Häuser, schöne Plätze, viele, in allen Farben blühende Pflanzen, auch jetzt im Herbst. Schön! Wir haben uns sofort wohl gefühlt. Trotzdem suchten wir nach einem Liegeplatz in einer Marina, da die Logistik mit dem Beiboot auf Dauer doch sehr aufwändig wäre. Außerdem stehen noch ein paar Reparaturen an, bei denen ein ruhig liegendes Boot sehr vorteilhaft wäre. Gestern Nachmittag zogen wir also dann in den Nordosten Madeiras um, in die Marina da Quinta do Lorde. Hier haben wir für die nächsten zwei Wochen einen Liegeplatz bekommen.
Hermann musste gestern leider die Rückreise antreten. Er war seit Lissabon mit an Bord, fast vier Wochen. Ich habe noch nie so lange „Urlaub“ mit meinem Bruder gemacht; es war eine sehr schöne Zeit. Danke, dass Du mit dabei warst!





