Madeira, ein kleines Paradies

Wir haben uns in der Marina Quinta do Lorde gleich wohlgefühlt. Wie ein kleines Fischerdorf gestaltet, mit Häusern direkt an der Mole sowie einfacher, aber praktischer Infrastruktur mit kleinem Lebensmittelladen, Restaurant, Laden für Schiffszubehör. Im Hafenbüro konnten wir ein Auto mieten, das wir bereits am nächsten Tag vor Ort übernehmen konnten, sehr praktisch.

Toni und Ale kundschafteten eine kleine Wanderroute auf der Ponta de Sao Lourenco aus, nicht weit vom Hafen weg, die wir noch am Nachmittag gingen. Spektakuläre Landschaft mit tollen Blicken aufs Meer, wirklich sehr schön.

Da auf der Überfahrt die Hydraulik des Baumniederholers „weich“ wurde, d.h. den Baum nicht mehr nach unten ziehen konnte, fuhr ich Donnerstagvormittag zu einem größeren Bootsausrüster in der Nähe von Funchal, um Umlenkrollen zu kaufen, mit denen ich einen provisorischen Niederholer bauen könnte, sollte die Anlage nicht bis zur Abfahrt professionell repariert werden können. Stand heute, 3.10., ist klar: es sollte mit der Reparatur bis Anfang nächste Woche klappen. Die Firma Sailtec bei Hamburg wird einer Hydraulikfirma in Funchal ein Dichtungsset per Express schicken, das diese dann Anfang kommender Woche auf der Bonita einbauen wird. Das zu organisieren hat einige Telefonate und Emails gebraucht, aber jetzt sieht es ganz gut aus.

Auf dem Weg Richtung Funchal habe in Toni und Ale in Machico abgesetzt, einer kleinen Hafenstadt hier ums Eck. Dort trafen wir uns dann am frühen Nachmittag zu einer Kaffee-und-Kuchen-Runde in der Altstadt, die sich als wesentlich kleiner und unscheinbarer herausstellte, als uns die Marketingbroschüren glauben ließen. War aber trotzdem sehr nett. Nach einem längeren Aufenthalt im nächsten Supermarkt, um unsere Vorräte mal wieder aufzustocken, fuhren wir zum Flughafen, um Dieter abzuholen. Er wird zu den Kanaren und später dann auch in die Karibik mitsegeln. Freut mich riesig, dass Du wieder an Bord bist, Dieter.

Freitag hatten wir uns reserviert, um mit dem Auto mal eine Inselrundfahrt zu machen. Wir sind an der Nordküste entlang bis Porto Moniz, nach Ponta do Pargo im Südwesten und dann entlang der Südküste zurück zu unserem Hafen. Natürlich wählten wir nicht die schnellen Routen mit Tunnels durch die Berge, sondern immer die mit viel Ausblick, also oben drüber. Ich bin in meinem Leben noch nie so steile Straßen gefahren. Dass das die Kupplung unseres Autos ziemlich stresste, konnten wir jedes mal sofort riechen, wenn wir oben angekommen ausstiegen, um den Ausblick zu genießen. Madeira ist wunderschön anzuschauen: unglaublich zerklüftet, sehr grün und der Reichtum an Blumen, Obst und auch Gemüse ist schier unglaublich. Und natürlich auch eine willkommene Abwechslung zum eher einseitigen Blau des Meeres.

Toni und Ale gingen in den Salzwasserpools in Porto Moniz schwimmen, während Dieter und ich den Ausblick im Cafe genossen. Es war ziemlich bewölkt und eher etwas kühl, insofern stand uns der Sinn nicht so sehr nach baden.

Auf dem Weg zurück schauten wir uns noch einen Lorbeerwald an und genossen die Aussicht aufs Meer aus 1300m Höhe. Nach ca. 200km Fahrt waren wir abends gegen halb neun wieder am Boot. Ziemlich müde, aber total geflashed von den tollen Eindrücken.

Kontrastprogramm dann am Samstag. Toni und Alex fuhr ich auf 10 Uhr zu einer Tauchbasis im Nachbarort, sie hatten zwei Tauchgänge in den hiesigen Gewässern gebucht. Dieter hat mir Ersatzteile für die Entsalzungsanlage mitgebracht, die ich vom schwedischen Hersteller an ihn schicken ließ. Und die bauten wir jetzt in die erste Membran ein. Um das wichtigste gleich vorweg zu nehmen: die Leitungen sind dicht, die Membranen sind dicht, die Anlage läuft einwandfrei und produziert trinkbares Wasser, ca. 80l in der Stunde. Endlich, yeahhhhhh! Der Oberhammer war aber folgender: ich habe die Anlage letzten Herbst ja von der Werft in Großenbrode warten lassen. Bereits da wurde die erste Membran auseinander gebaut, gereinigt und wieder zusammengesetzt. Jetzt stellte sich heraus, dass sie vergessen haben, das Herzstück der Membran, die „eng gerollte Papierrolle“ wieder einzusetzen. Die erste Membran bestand also nur aus der leeren Hülle. Ist das nicht unglaublich? Kein Wunder, dass die Anlage nicht funktionierte.

Für Sonntag hatte uns Dieter Hierner, ein guter Bekannter vom Ammersee, zu sich nach Hause in Funchal eingeladen. Wir trafen uns vorher auf dem Bauernmarkt von Santo da Serra, um einen Poncha zu trinken und Wurst und Grillhähnchen einzukaufen, die wir später auf seiner Terrasse sitzend bei einem guten Glas Wein und Obst und Gemüse aus seinem eigenen Anbau verspeisten. Dazu gute Gespräche und ein erfrischendes Bad im Pool, es war ein wunderschöner Tag.

Gestern Vormittag telefonierte ich mit einem Segelmacher hier in der Nähe. Ich kann ihm heute Nachmittag die Genua vorbeibringen, er wird sie bis Anfang nächste Woche reparieren. Hier auf der Insel gibt es wirklich alles, man muss es nur finden. Nachdem die Menschen hier aber unglaublich hilfsbereit sind, sind es meist nur wenige Gespräche und Telefonate und schon hat man den Richtigen gefunden. Sehr angenehm!

Nach dem Frühstück gestern sind wir in Richtung Nonnental aufgebrochen. Wir fuhren mal wieder eine teilweise unglaublich steile Straße hinauf zu einem Aussichtspunkt auf ca. 1100m über dem Meer, von wo aus man einen unglaublichen Ausblick in das „Nonnental“ hat, ca. 5-700 Meter tiefer gelegen. Das Tal erhielt seinen Namen von einem Nonnenkloster, das es in diesem Tal vor einigen hundert Jahren mal gegeben hat: damals wie heute sehr abgelegen. Heute allerdings mit dem Auto durch einen 2,4km langen Tunnel zu erreichen, damals nur mit dem Esel über die Berge.

Am späten Nachmittag konnte ich dann Yvonne vom Flughafen abholen. Sie hat sich mal wieder auf den Weg gemacht, um einige Tage auf dem Boot zu verbringen. Ich habe mich schon riesig auf sie gefreut. Nachdem sich durch die Reparatur des Baumniederholers die Abreise hier aus Madeira um einige Tage verzögern wird, hat sie ihren Flug auf die Kanaren gestrichen und wird stattdessen mitsegeln. Zwei komplette Tage mit ca. 270Sm. Dass sie das auf sich nimmt, rechne ich ihr hoch an. Danke mein Schatz!

Ja und der Crewwechsel geht heute weiter: in ein paar Stunden werden Antonia und Alexander zurück nach Hause fliegen. Die Uni ruft. Antonia war seit Lissabon dabei, Alexander ist vor fast zwei Monaten in A Coruna zugestiegen. Aus ihm ist mittlerweile schon ein richtiger Seebär geworden. Schön, dass ihr mit an Bord wart, es war eine tolle Zeit, die unglaublich schnell vergangen ist und es hat großen Spaß gemacht. Danke auch für Eure Mitarbeit an Bord, ihr wart eine große Unterstützung.

Land in Sicht!

Eigentlich wollten wir (Antonia, Alexander, Hermann und ich) die viertägige Überfahrt nach Madeira am Sonntag, den 17.9. starten. So kauften wir am Samstag mächtig ein und Toni und Alexander kochten für zwei Tage vor, um auf jeden Fall etwas Warmes zu essen zu haben, auch wenn Wetter oder Wellen kein Kochen zulassen sollten. Aufwärmen geht (fast) immer. Allerdings zeichnete sich im Laufe des Samstags bereits ab, dass der Wind am Montag im Seegebiet westlich von Gibraltar eine Pause einlegen würde. So beschlossen wir, die Flaute lieber im Hafen von Cadiz zuzubringen und erst am Montag zu starten. Nochmal richtig ausgeschlafen, ausführlich und herzhaft gefrühstückt, Wasser und Diesel gebunkert – und dann: um 14:00 Leinen los! Auf zur längsten non-Stopp-Fahrt bisher: vier Tage ununterbrochen auf See, Tag und Nacht. Über 1000 km, ca. 580 Sm, aber nur wenn die direkte Linie gesegelt werden konnte. Ein bisschen nervös waren wir schon, ob alles so klappen würde, wie wir uns das vorstellten? Der Wachplan sah 4h-Schichten von sechs bis vierundzwanzig Uhr vor. Von Mitternacht bis sechs Uhr früh dann 3h-Schichten. Immer zwei hatten zusammen Wache, so dass jeder nach seiner Wache vier bzw. drei Stunden frei hatte. Das Bordleben kreist somit in erster Linie um Wache, Schlafen und Essen. An den ersten beiden Tagen stand schlafen eigentlich im Vordergrund. Jeder hatte so seine Schwierigkeiten, anfangs richtig zu schlafen. Aber so nach und nach gewöhnten wir uns an die Schaukelei, die Geräusche, die das Wasser verursacht, wenn es an den Rumpf klatscht, die Geräusche des Bootes selbst: das Gluckern des Wassers in den Tanks vorn und hinten; das Knarzen der Schoten, wenn der Winddruck zu groß wird. Nachts hatten wir meist mehr Wind als vorhergesagt, tagsüber oft deutlich weniger. Im Mittel stimmte es also. Die Nächte waren auch empfindlich kühl, Skiunterhemd und lange Unterhose waren angeraten. Apropos Nächte: der Sternenhimmel war unglaublich: schon lange habe ich nicht mehr so viele Sterne gesehen, es war wirklich beeindruckend. Trotzdem war es doch ziemlich dunkel, da gerade an den ersten beiden Tagen, der Mond bereits um ca. 22 Uhr unterging.

Leider kam der Wind nie aus der nordwestlichen Richtung wie vorhergesagt, sondern meist direkt aus West. Das bedeutete, dass wir von Anfang an südlicher segeln mussten, als wir wollten. Am Ende des dritten Tages waren wir fast auf der Höhe von Madeira, allerdings noch knapp 100 Meilen östlich davon. Nachts sollte der Wind komplett auf Nord drehen, so dass wir den perfekten Anleger auf Madeira gehabt hätten. Leider drehte da aber erst mal gar nix. Stattdessen schlief der Wind immer mehr ein. Erst in den frühen Morgenstunden des vierten Tages fing er an auf Nord zu drehen und dann immer weiter nach Osten, allerdings viel zu schwach. Wir hatten also eine ausgeprägte 2m-Welle aus NW und einen schwachen achterlichen Wind aus O. Leider ließ das starke Schwanken des Boots bei wenig Wind dann auch die Genua reißen: in der Mitte einmal quer durch; wie sich später herausstellen sollte, riss Gott sei Dank nicht das Laminat, sondern „nur“ die Naht. Es kann also mit geringem Aufwand repariert werden. Wir rollten die Genua vorsichtig ein und fuhren mit der Kutterfock weiter: Statt 75qm Segelfläche nur noch 28qm.

Gerade als wir beschlossen mit Motor weiter zu fahren, frischte der Wind auf und wir konnten dann doch noch schön segeln. Immerhin mit 6kn Fahrt ging es weiter. Aufgrund der deutlich reduzierten Geschwindigkeit und der östlichen Windrichtung beschlossen wir zunächst die Insel Porto Santo und nicht Madeira anzulaufen. Porto Santo liegt ca. 40 Meilen nördlich von Madeira. Nach insgesamt 631 Seemeilen erreichten wir die Insel. Hier gibt es einen wunderschönen Sandstrand vor Bergen, die aussehen, als wäre der letzte Vulkanausbruch vorgestern gewesen. Wir ankerten in Ufernähe in glasklarem Wasser und gingen erst mal bei 25° Wassertemperatur schwimmen. Herrlich! Schnell war die Anstrengung der letzten vier Tage vergessen. Am nächsten Tag wollten wir gleich morgens die kaputte Genua gegen eine neue austauschen (ich habe einen kompletten Satz Ersatzsegel eingepackt) und dann weiter nach Madeira fahren. Nun ja, als wir mit Segeltausch gegen Mittag fertig waren, hatten wir alle mehr Lust auf Baden als bei schwachem Wind nach Madeira zu segeln. Wir beschlossen also noch einen weiteren Tag in Porto Santo zu bleiben: baden, Kaffee trinken in der Hafenkneipe um die Ecke, in die Stadt laufen, um noch ein paar Einkäufe zu erledigen, Abendessen in der Hafenkneipe.

Am nächsten Tag, Sonntag den 24., ging es dann nach dem Frühstück weiter nach Madeira. Leider unter Motor, da mal wieder Flaute herrschte. Später frischte der Wind etwas auf, kam allerdings komplett von vorn. Wir beschlossen dann auch die restlichen Meilen noch zu motoren. In Funschal angekommen, ankerten wir im großen Hafenbecken, zusammen mit einigen Bekannten Booten, die uns schon früher in dem einen oder anderen Hafen begegneten. Die kleine Marina, die nur Platz für ca. 6 Gastboote hat, war komplett voll.

Wir verbrachten zwei volle Tage dort: der Blick vom Boot auf die Stadt, die sich über 400m über dem Meer die Berge hochzieht, ist klasse, vor allem nachts. Funchal ist eine unglaublich quirlige Stadt, mit Kneipen und guten Restaurants in allen Gassen und Winkeln der Altstadt, teilweise sehr schön renovierte Häuser, schöne Plätze, viele, in allen Farben blühende Pflanzen, auch jetzt im Herbst. Schön! Wir haben uns sofort wohl gefühlt. Trotzdem suchten wir nach einem Liegeplatz in einer Marina, da die Logistik mit dem Beiboot auf Dauer doch sehr aufwändig wäre. Außerdem stehen noch ein paar Reparaturen an, bei denen ein ruhig liegendes Boot sehr vorteilhaft wäre. Gestern Nachmittag zogen wir also dann in den Nordosten Madeiras um, in die Marina da Quinta do Lorde. Hier haben wir für die nächsten zwei Wochen einen Liegeplatz bekommen.

Hermann musste gestern leider die Rückreise antreten. Er war seit Lissabon mit an Bord, fast vier Wochen. Ich habe noch nie so lange „Urlaub“ mit meinem Bruder gemacht; es war eine sehr schöne Zeit. Danke, dass Du mit dabei warst!