Um das wichtigste gleich mal vorweg zu schicken: Wir sind nach 23 Tagen Überfahrt sicher und wohlbehalten in Martinique angekommen. Auch die Bonita hat die lange Reise unbeschadet überstanden. Es hat Riesenspaß gemacht. Das Leben an Bord zusammen mit meinen Mitstreitern Axel und Dieter hat super geklappt, wir waren ein tolles Team.
Ich war am 18.11. nachmittags zusammen mit Axel zurück in La Palma. Auch Dieter landete am 18. Abends in La Palma. Aufgebrochen sind wir am Mittwoch, den 22. November, drei Tage vor meinem ursprünglich geplanten Starttermin. Wir hatten bis dorthin alles erledigt, Wasser und Proviant gebunkert, wir waren startklar. Nach dem Ablegen ging es zunächst noch an die Tankstelle, um vollzutanken.
Eine Atlantiküberquerung hatten wir uns irgendwie so vorgestellt: Südlich von La Palma biegen wir mal rechts ab, Kurs Richtung Martinique, die Segel auf Vorwindkurse eingestellt und ein kräftiger und konstanter Passatwind pustet uns dann in ca. 20 Tagen über den Atlantik. Begleitet werden wir „da draußen“ von meterhohen Wellen, vielleicht auch manchmal mit mehr Wind als uns lieb sein würde. Soweit die Vorstellungen. Die Realität sah anders aus…
Nach dem Auslaufen setzten wir Kurs nach Süd, Richtung Kapverden. Für die nächsten Tage waren eher schwache Winde aus NO vorhergesagt, Tendenz schwächer werdend. Bereits am Nachmittag kündigte der aktuelle Wetterbericht nur noch 2 bft für den nächsten Tag an, sodass wir uns kurzerhand entschlossen El Hierro anzulaufen und dort den kommenden Tag zu verbringen. Es war bereits dunkel, als wir in den Hafen einliefen. Da der jedoch sehr gut ausgeleuchtet war, war es kein Problem. Ein erster ungeplanter Stopp auf unserer Überquerung.
Dieter hatte noch beim Einlaufen in den Hafen ein Auto für den nächsten Tag reserviert, so dass wir uns unmittelbar nach dem Frühstück zu einer Inselrundfahrt aufmachen konnten. El Hierro ist ja die kleinste der kanarischen Inseln und liegt etwas abseits im Südwesten des Archipels. Touristisch vglw. wenig erschlossen hat es dennoch seine schönen Ecken, vor allem wenn man sich knapp 1000 Hm über dem Meer befindet: Kiefernwälder und Wiesen mit Kühen drauf und Steinmäuerchen wie in Irland. Wir hatten viel Spaß, badeten an einem Strand mit schwarz-rotem Sand und holperten ein Stück weit eine kaum befahrbare Forststraße im Wald hinunter, weil wir uns mal wieder auf Google Maps verlassen hatten.
Freitag, den 24.11., ging es dann weiter Richtung Süden. Gestartet sind wir mit frischem Wind aus N, der sich nachmittags bereits auf 3bft abschwächte und auf Ost drehte. Der angekündigte Wind aus NE, also die klassische Passatwindrichtung, blieb aus. Nachts mussten wir sogar fünf Stunden motoren. Auch am nächsten Morgen blies der Wind mit lediglich 2-3bft aus N. Viel zu schwach, um vernünftig segeln zu können. Wir änderten den Kurs auf 210°, um den Wind nicht total platt von hinten, sondern mit 120° Einfall zu haben. Nachmittags nutzten wir den schwachen Wind, um zu baden und zu duschen. Axel hat das erste Mal seine Drohne ausprobiert.
Der unstete Wind setzte sich auch am 26.11. fort. Blies er nachts mit 4-5 bft, womit wir gut vorankamen, schlief er tagsüber wieder ein. In diesen Tagen hatten wir nachts noch schönes Licht durch den Vollmond, was das Segeln wirklich zu einem ausgesprochenen Vergnügen machte. Auch die Richtung, aus der er blies, war ein konstantes hin und her zwischen nördlichen und östlichen Richtungen. Oft drehte er binnen Sekunden um 60°. Wir dachten bislang, so etwas gäbe es nur an den bayerischen Seen. Nachmittags ließ ich den Generator für etwa 3h laufen, um die Batterien zu laden und die Entsalzungsanlage zu betreiben, um den hinteren Wassertank wieder aufzufüllen.
Die Tage vom 27.-30.11. waren geprägt von der Suche nach dem richtigen Segel, um dem wechselnden und schwachen Wind gerecht zu werden. Parasailor, Butterfly, nur ausgebaumtes Groß oder nur ausgebaumte Genua. Es war alles dabei und funktionierte doch immer nur ein paar Stunden.
Da wir den Kapverden ohnehin schon sehr nahe waren, beschlossen wir am 28.11. abends Mindelo anzulaufen, um die angekündigte Flaute während der nächsten Tage dort an Land verbringen zu können. Axel versuchte sich immer wieder mit angeln. Leider ohne Erfolg. Entweder wurde der Köder abgebissen, oder es biss schlicht kein Fisch an.
Leider mussten wir in diesen Tagen auch einiges an überreifen und verschimmeltem Gemüse entsorgen: Tomaten, Gurken und Bananen wurden sehr schnell reif und vergammelten. Zucchini, Auberginen, Kartoffel und Äpfel halten sich bei den hohen Temperaturen und Luftfeuchtigkeit noch am besten.
Am 30. 11. liefen wir, nachdem wir mangels Wind über 20 Stunden am Stück unter Motor fahren mussten, in Mindelo auf den Kapverden ein, unser zweiter ungeplanter Stopp auf dem Weg über den Atlantik. Das Leben dort mutet sehr afrikanisch an: Gebäude, Straßen, Infrastruktur: alles etwas heruntergekommen; vieles wirkt irgendwie improvisiert, funktioniert aber trotzdem recht gut. Frisch gefangener Fisch wird noch am Strand ausgenommen und verkauft; Obst- und Gemüsehändler an jeder Ecke, die das im heimischen Garten angebaute auf der Straße verkaufen. Auch wir deckten uns dort wieder mit frischem Gemüse und Obst ein. Mindelo ist eine kleine, aber sehr lebendige Hafenstadt, deren portugiesische Wurzeln noch gut erkennbar sind. Abends aßen wir im Nautilus Grillspieß vom Rind, war sehr lecker. Hätten wir vorher gewusst, dass wir die Kapverden ansteuern würden, hätten wir mehr Zeit eingeplant, um sie uns näher anzuschauen. So aber sind wir am 1.12. wieder aufgebrochen, um den angekündigten frischen Nordostwind für uns zu nutzen.
Nachmittags um 15:00 legten wir ab und „düsten“ mit 5bft aus NE Richtung Südwesten. Wir mussten an das südliche Ende der kapverdischen Inseln, also nochmal ca. 100 Sm südlicher, um endlich in eine stabile Passatströmung zu kommen. Der Passatwind schien sich dieses Jahr ziemlich weit nach Süden zurückgezogen zu haben. Abends kurz vor Sonnenuntergang fingen wir dann unseren ersten Fisch, eine Makrelenart, die ein bisschen wie ein Barrakuda aussah. Noch am selben Abend landete der Fisch in der Pfanne, war super lecker.
In den kommenden Tagen hatten wir einen permanenten Wechsel von gutem Segelwind, meist nachts, und schwachem Wind tagsüber. So segelten wir nachts meist mit ausgebaumter Genua und tagsüber mit dem Parasailor. Wir versuchten uns 2x auch nachts mit dem Parasailor, mussten ihn allerdings auch 2x morgens bei Dunkelheit und viel Wind bergen, was nicht ganz ungefährlich war. Wir beschlossen deshalb, nachts nur noch mit ausgebaumter Genua zu fahren. Die können wir flexibel reffen und wieder ausreffen, wenn sich die Windstärke ändert.
Zwischendurch versuchten wir wieder zu angeln. Leider ohne Erfolg. Einmal verloren wir wieder einen Köder, ein zweites Mal gleich die ganze Angel. Wir waren teilweise recht schnell unterwegs, sodass, wenn ein Fisch anbiss, so viel Druck auf Köder und Angel war, dass sie schlicht abrissen.
Am 6.12. hatten wir morgens einen wunderschönen Sonnenaufgang, 6bft Wind und eine Welle von ca. 3m. Wir kamen gut voran und hatten nun das Gefühl endlich in einem stabilen Passatwind angekommen zu sein.
Wenn wir nicht mit dem Parasailor segelten rollte das Boot mitunter relativ stark, was wiederum auch seine Opfer forderte: im Cockpit und auf die Hose verschüttetes Müsli, verschüttete Rühreier in der Küche über die komplette Arbeitsfläche. Auch ordentlich nasse Salon-Polster gab es einmal, weil wir bei einem Segelmanöver vergessen hatten die Decksluke im Salon zu schließen. Eine Welle überrollte das Schiff und einige (viele) Liter Salzwasser schwappten durch das geöffnete Luk in der Decke hinein. All das passierte an einem Tag, dem 8.12.; schien nicht unser Tag gewesen zu sein.
Bereits am 9.12. begann der Wind wieder schwächer zu werden, der nur dann etwas auffrischte, wenn Squalls über uns hinweggezogen sind. Squalls sind lokale Regengebiete, die nach Nordwesten ziehen und viel Regen und teilweise starken Wind mitbringen. Wichen wir den Squalls anfangs noch aus, so waren wir später froh über sie, da sie zumindest kurzfristig etwas mehr Wind mitbrachten.
Der Wetterbericht, den ich 2x pro Tag per Satellit herunterlud, sah in den kommenden Tagen ein riesiges Flautengebiet vor uns. Wir wichen deshalb ca. 70 Sm nach Norden aus, um wieder früher mehr Wind zu haben. Leider setzte die Flaute aber auch schon früher ein, sodass wir doch wieder motoren mussten. Insgesamt sind wir mehr als drei Tage unter Motor gefahren und haben dabei ca. 300l Diesel verbraucht.
In einem Bogen fuhren wir die restlichen Tage wieder nach Südwesten Richtung Martinique, wo wir am 16.12. gegen Mittag nach insgesamt 23 Tagen auf See seit den Kanaren und etwas über 3000 Seemeilen, also ca. 5400 km, ankamen. Land in Sicht war um kurz nach 7 Uhr morgens, kurz nach Sonnenaufgang.
Alle waren wir am Ende überrascht, wie schnell und reibungslos die Zeit verging. Irgendwie hofften wir alle, viel Zeit zum Faulenzen und Lesen zu haben, oder zum Okulele spielen. Tatsächlich blieb doch wenig bis gar keine Zeit für derartige Freizeitbeschäftigungen. Die permanent wechselnden Winde hielten uns auf Trab, bei Tag wie auch in der Nacht. Nachts zu steuern, bei wenig Sicht, nur mit Blick auf die Instrumente, ist sehr anstrengend. Natürlich nutzten wir zwischendurch auch den Autopiloten, aber auch der hatte bei schwachem Wind seine Probleme, Kurs zu halten. Außerdem wollten wir den Stromverbrauch in Grenzen halten, sodass wir eben überwiegend selbst steuerten. Auch die tägliche Bordroutine sorgte für eine gute Auslastung: tagsüber 3h Ruderwache, nachts 2,5h im Wechsel. Dazwischen schlafen, kochen, abspülen. In meinem Fall dann noch Wetterbericht herunterladen und auswerten, Generator laufen lassen, um die Batterien zu laden und Süßwasser zu produzieren. Drei Brote habe ich gebacken, deren Hefeteig leider nicht aufgehen wollte. Geschmeckt haben sie trotzdem.
Wir liefen am 16. zunächst eine Bucht auf der Westseite der Insel an, um dann am nächsten Tag weiter Richtung Bucht von Le Marin zu segeln. Dort ankerten wir zwei Tage im Ankerfeld vor Saint Anne, bevor wir in die Marina von Le Marin umziehen konnten. Wir haben uns ein Auto gemietet, mit dem wir jetzt seit einigen Tagen die Insel erkunden: wunderschöne Strände, herrliches Wasser zum Schwimmen, schöne Berge zum Wandern.








