Das also ist Bermuda

Nach sieben Tagen auf See erreichen wir am 26.4. morgens um 7:00 Bermuda. Da die Insel Sommerzeit hat, ist es bereits 8:00, also nochmal die Uhren 1h nach vorne stellen. Aufgrund der Zeitumstellung kommen wir 1h später an der Einfahrt nach St. George‘s an, als an Radio Bermuda kommuniziert. Damit haben die aber kein Problem; dass Crews die Zeitumstellung nicht auf dem Radar haben scheint wohl öfters vorzukommen. Man muss sich 30Sm vor der Küste das erste Mal bei Radio Bermuda melden und mitteilen, wann man ankommt und wo man hin möchte. Einklarieren geht zwingend nur in St. George’s; die Einfahrt in die Bucht ist denkbar schmal, so dass Radio Bermuda den Schiffsverkehr steuern möchte/muss, um Kollisionen zu vermeiden.

Die Insel selbst ist denkbar flach und taucht buchstäblich erst auf den letzten Meilen am Horizont auf. Sie ist unglaublich dicht bewohnt, im Norden mit einer ziemlich „zerrissenen“ Küstenlinie, mit vielen winzigen und flachen Buchten. Das Riff dort zieht sich viele Kilometer nach Norden hin. Die Südküste kommt dagegen vglw. steil aus dem Wasser, hat aber auch einige sehr schöne Strände. Die Insel hat britische Wurzeln, ist mittlerweile aber sehr stark US-amerikanisch beeinflusst. Was insbesondere bedeutet, dass alles, wirklich alles, absurd teuer ist. Ein guter Indikator dafür sind immer die Bierpreise: unter 9 USD für 0,33l geht gar nichts. Sämtliche Lebensmittel werden importiert; Landwirtschaft wird nur im privaten Umfeld auf kleinsten Parzellen betrieben. Es gibt auch kein Süßwasser auf der Insel. Private Häuser haben keinen Keller, sondern eine Zisterne, in der das Regenwasser vom eigenen Dach aufgefangen wird. Öffentliche Einrichtungen oder größere Bürogebäude werden über Mehrwasserentsalzungsanlagen versorgt. Die Stromerzeugung erfolgt zu nahezu 100% über fossile Energieträger.

Wir finden zunächst keinen Platz zum Anlegen am Zollpier, alles ist voll. Notgedrungen ankern wir deshalb erstmal auf ca. 6m. Kurz danach legt ein spanisches Boot von der Mole ab, unsere Chance. Manfred holt per Hand im Sitzen 20m Kette hoch und merkt dann auch prompt seine Schulter.

Die Dame vom Zoll ist sehr hilfsbereit und nett, „nötigt“ mich aber doch noch Sailclear auszufüllen. Sie sei so stolz, dass sie es vor 3 Monaten geschafft hätten, ihre Zollformalitäten nun auch über diese App abwickeln zu können. Ist Gott sei Dank kein großer Aufwand und das Handling später beim ausklarieren ist deutlich einfacher. Nachdem wir nun offiziell eingereist sind, schlendern wir noch durch den kleinen Ort, der mit seinen alten, schön restaurierten Gebäuden an die alten Seefahrerzeiten erinnert.

Wir helfen einem Einhandsegler beim Ablegen aus der Marina, die gut geschützt mitten im Ort liegt. Schnell wird uns klar, dass das eigentlich ein sehr schöner Liegeplatz auch für uns wäre. Ich rufe sofort im Hafenbüro an und nach ein bisschen internem abklären, können wir den Platz für eine Nacht haben. Klasse!

Wir reservieren gleich einen Tisch zum Abendessen im „Three Kings“; wie wir finden, das passende Restaurant für uns, denn genauso fühlen wir uns. Wir fahren Bonita an ihren Liegeplatz, holen die Quarantäneflagge ein und spazieren nachmittags ausgedehnt durch den Ort; die Bewegung tut gut.

Am nächsten Morgen, der 27.4., kündigt der Wetterbericht für den Nachmittag und die folgenden Tage Starkwind mit bis 6bft aus nördlichen Richtungen an. Ursprünglich wollten wir uns an die Westküste nach Dockyard verlegen; allerdings wären wir dann dem Wind komplett ausgesetzt, während wir in St.George’s an der Südküste komplett geschützt davor wären.

Ich gehe also rüber ins Hafenbüro, um zu klären, ob wir vielleicht doch noch bleiben können. Und siehe da, alles kein Problem; wir können so lange bleiben, wie wir wollen. Perfekt!

Wir kaufen uns ein Tagesticket, mit dem wir alle Busse und Fähren der Insel nutzen können. Ein paar Kilometer vor Hamilton, der Inselhauptstadt, steigen wir das erste Mal aus, um am Ufer durch einen kleinen Naturschutzpark zu laufen: steile Felsen, Strand, viele tropische Pflanzen und sogar eine Art Lagune.

Mit dem nächsten Bus, der an der Haltestelle vorbeikommt, geht es weiter an die Südküste. Vorbei an wunderschön gelegenen und sehr luxuriösen Anwesen, teilweise eingebettet in einen Golfplatz (dafür finden die Engländer immer ein Plätzchen). An der Horseshoe Bay steigen wir aus und laufen runter zur Bucht. Es ist wenig los, da der Wind ziemlich heftig bläst und es auch sehr bewölkt ist. Die Wassertemperatur liegt bei 22°, die Luft eher etwas darunter. Zum Baden entschieden zu kalt.

Nach etwa 1h fahren wir weiter nach Dockyard. Hier befand sich vor ein paar hundert Jahren ein riesiger Militärhafen der Briten incl. einer großen Werft, um all die Schiffe der britischen Marine warten und reparieren zu können. Damit sicherte sich GB für viele Jahre die Vormachtstellung in diesen Gewässern. Ohne Wartung und Reparatur ging also damals schon nichts weiter. Daran hat sich bis heute nichts geändert!

Das riesige Gelände ist heute Museum, Fressmeile, Shopping Mall und Freizeitpark für Inselbewohner, Kreuzfahrer und Segler. Wir verbringen hier einen entspannten Nachmittag, bevor wir mit der Fähre zurück nach Hamilton und von da mit dem Bus zurück nach St. George’s fahren. Wir laufen noch kurz durch Hamilton, das uns allerdings nicht wirklich gefällt: zu groß, zu wenig historische Substanz, voll mit Bürogebäuden von Versicherungsgesellschaften und Banken.

Am 28.4. ruft nach dem Frühstück mal wieder die Routine-Bootspflicht: Boot putzen, Motoröl checken und nachfüllen, dto. für den Generator, Wassertanks füllen, Rigg kontrollieren, Wetterbericht einholen, Route für die nächste, lange Etappe zu den Azoren planen. Wir wollen am 29.4. los.

Nach getaner Arbeit, laufen wir nachmittags auf die Nordseite der Insel zu einer kleinen Strandbar, um ein Feierabendbierchen zu trinken. Abends gehen wir im White Horse Pub & Restaurant zum Abschieds-Abendessen, etwa 20m vom Boot weg. Diese kurzen Wege sind schon irgendwie toll.

Am 29.4. gehen Harald und Manfred noch zum Einkaufen im Supermarkt, ca. 200m vom Boot weg. Ich klariere in der Zwischenzeit aus und checke auch in der Marina aus. Gegen Mittag legen wir ab und fahren noch rüber zur Tankstelle, um auch die Dieseltanks zu füllen. Dort ziehen wir fast eine halbe Stunde lang einen Kringel nach dem anderen, bis der Motorbootfahrer endlich fertig mit tanken und Boot waschen ist. Wir tanken 200l, holen uns bei Radio Bermuda das „Go“ für die Ausfahrt aus der Bucht und melden uns ab. Sie wünschen uns eine gute Überfahrt, sehr nett.

Um 14:00 passieren wir die Ansteuerungstonne vor der Einfahrt nach St. George’s. Wir sind unterwegs zu den Azoren! Etwa 1900 Sm oder 3400km sind sie entfernt. 16 Seetage habe ich dafür eingeplant. Wir sind sehr gespannt, was auf uns zukommt.

Schreibe einen Kommentar