Am nächsten Morgen ist es nahezu windstill in der Bucht. Die Hitze klebt schon morgens um 7 Uhr über dem Boot und lähmt jede Bewegung. Ein Dreimaster und eine riesige Motoryacht haben sich nachts noch zu uns in die Bucht gesellt, ein schöner Anblick. Die größte einmastige Segelyacht der Welt liegt auch noch vor Ort. Sie ist über 70m lang, der Mast hat eine Länge von knapp 90m.
Heute machen wir uns auf den Weg nach Anegada. Nachdem Yvonne und ich es 1992 nicht dorthin schafften, wollte ich dieses Mal die Gelegenheit nutzen. Zudem haben Florian und Dani, die in den BVIs vor einigen Jahren schon mal mit einer Charterjacht unterwegs waren, damals die Info erhalten, dass es auf Anegada ausgezeichneten Hummer geben soll. Sie hatten allerdings auch keine Gelegenheit dort noch hinzusegeln, Anegada ist etwas abgelegen. Heute ist also unsere Chance. Mit 16 Sm Entfernung von Virgin Gorda liegt es auch nicht so weit entfernt.
Wegen des sehr schwachen Windes war Segeln platt vor dem Wind keine Option, wir müssen vor dem Wind kreuzen. Nach ca. 2 Stunden beschließen wir aber dann doch, die verbliebene Strecke von ca. 6 Sm unter Motor zu fahren, da ansonsten eine Ankunft noch bei Tageslicht vermutlich nicht möglich gewesen wäre. In einem ersten Anlauf fahren wir die betonnte Einfahrt entlang zu einer Ansammlung von Restaurants, Hotels und Bars am südwestlichen Ende der Insel. Nachdem das Wasser zusehends seichter wird, wir am Ende nur noch ca. 50 cm Wasser unter dem Kiel haben und trotzdem ca. 1km vom Ufer entfernt sind, beschließe ich das Manöver abzubrechen und einen anderen Liegeplatz zu suchen. Wir entscheiden uns für das Westende der Insel, ca. 3km von den Häusern entfernt. Dort liegen wir auf rund 6m Tiefe bei glasklarem Wasser, etwa 200m vom Ufer entfernt. So haben wir uns das vorgestellt. Wir gehen schwimmen und schnorcheln um das Boot herum, können jedoch keine Fische entdecken.
Kurz nach 17:00 fahren wir mit dem Dingi ans Ufer und laufen am Strand entlang zu den Restaurants. Der Strand ist noch sehr ursprünglich und scheint nicht gepflegt zu werden. Nach ein paar Metern entdecken wir einen Rochen im knietiefen Wasser, der wohl ebenfalls gerade sein Abendessen zu sich nimmt: kleine Krebse im Sand versteckt. Er lässt sich durch uns nicht stören.
Kurz vor Sonnenuntergang erreichen wir das kleine Hotel, in dem Dani einen Tisch zum Abendessen reserviert hat. Obwohl sehr schlicht gehalten, ist es doch sehr einladend und gemütlich. Sowohl an der Bar wie auch an den Tischen sitzt man im Sand und schaut hinüber zur untergehenden Sonne. Wir bestellen uns einen Rum Punch und halten Smalltalk mit drei amerikanischen Touristinnen, die erst nachmittags auf der Insel ankamen. Ein paar Meter entfernt hat der Koch schon mal den Grill angeworfen und die Hummerhälften darauf gelegt. Es duftet herrlich!
Den Nach-Hause-Weg treten wir mit dem Taxi an. Die Nacht ist stockfinster, jetzt noch am Ufer 3km zurück zum Boot zu laufen, darauf hatten wir schlicht keine Lust mehr. Unser Dingi liegt genauso am Strand, wie wir es vor ein paar Stunden hingelegt hatten. Auch jetzt gerät das Einsteigen wegen der Brandung zum kleinen Abenteuer. Stefan wird gerade in dem Moment, in dem er ins Boot klettern will, von einer Welle erfasst und nach hinten umgeworfen. Komplett durchnässt schafft er es im zweiten Anlauf ins Dingi zu klettern; jetzt aber nix wie weg, bevor uns die nächste Welle noch das Boot flutet oder gar quer schlagen lässt.
Obwohl wir quasi auf dem offenen Meer ankern, liegen wir vor Anegada wie in Abrahams Schoß. Die Nacht wird völlig ruhig, kein Lüftlein und keine Welle rührt sich. Wir starten am nächsten Morgen gegen 10:00 zurück nach Virgin Gorda. Schon kurz danach fängt der Wind an aufzufrischen, so dass wir bereits ein paar Minuten später schönen Segelwind fast in die gewünschte Richtung haben. Ich will nochmals die Marina in Spanish Town anlaufen, um Diesel und Wasser zu bunkern. Um 16:00 laufen wir aus der Marina wieder aus weiter Richtung Süden. Für die Baths am südlichen Ende von Virgin Gorda war es uns bereits zu spät, so dass wir die Südwestküste von Cooper Island anliefen, um dort zu ankern und die Nacht zu verbringen. Um den Meeresboden zu schonen haben sie mittlerweile überall Bojen ausgelegt, ankern ist nicht mehr erlaubt. Obwohl schon sehr viele belegt sind, finden wir noch eine Boje in Ufernähe. Wir liegen noch keine 10 Minuten an der Boje, da legt sich ein Barrakuda unter unserem Boot bereits auf die Lauer.
Wie durch ein Wunder gab es am Ufer neben dem Bojenfeld eine Bar, in der auch selbstgebrautes Bier verkauft wurde, sowie ein paar Meter weiter ein sehr nettes Restaurant. Selbstredend, dass wir beides ausprobieren mussten. Es war wieder ein sehr schöner, sehr entspannter Abend.